Kunstfasern in Strickgarnen - muss das wirklich sein?

Kunstfasern in Strickgarnen - muss das wirklich sein?

Wer sich ein bisschen in unserem Sortiment auskennt weiß, dass wir bei Pascuali sehr großen Wert auf hoch- und höchstwertige Fasern legen. In unseren Garnen kommen keine Kunstfasern zum Einsatz. In diesem Artikel erklären wir, warum unserer Meinung nach auf Garne mit oder ganz aus „Plastik“ verzichtet werden sollte. 
Alpaka – Schau mir in die Augen, Kleines!  Du liest Kunstfasern in Strickgarnen - muss das wirklich sein? 7 Minuten Weiter Stricken mit unterschiedlichen Farbpartien

Von Claudia Ostrop

Wer sich ein bisschen in unserem Sortiment auskennt weiß, dass wir bei Pascuali sehr großen Wert auf hoch- und höchstwertige Fasern legen. In unseren Garnen kommen keine Kunstfasern zum Einsatz – wir bieten euch ausschließlich Garne aus Fasern natürlichen Ursprungs an. Ist das nur eine trendige Zeitgeist-Marotte? In diesem Artikel erklären wir, warum unserer Meinung nach auf Garne mit oder ganz aus „Plastik“ verzichtet werden sollte. 

    Verschiedene Arten von Kunstfasern 

    Reine Wolle, pure Kunstfasergarne oder Mischgewebe – sie unterscheiden sich zum Teil deutlich in Sachen Preis, im Aussehen, in der Weichheit und ihrem Pflegebedürfnis. Wir schauen uns zunächst einmal an, was für Arten von Kunstfasern es gibt. 

    Wird die Faser zwar in einem chemischen Prozess, allerdings auf Basis nachwachsender Rohstoffe, hergestellt, spricht man von halbsynthetischen Kunstfasern.

    Kunstfasern auf pflanzlicher Ausgangsbasis

    Diese Fasern werden zwar auch künstlich erzeugt, ihre Basis sind aber natürliche bzw. nachwachsende Rohstoffe: Pflanzenbestandteile werden in einem chemischen Prozess verflüssigt und dann durch Düsen gespritzt, wodurch die neue Faser für das Garn entsteht. In unseren Garnen Forest und Cumbria kommt z.B. Bambus-Viskose zum Einsatz. Modal und Lyocell sind vergleichbare Fasern, die euch sicher schon mal untergekommen sind. 

    Kunstfasern auf vollsynthetischer Ausgangsbasis 

    Dies sind die „klassischen“ Kunstfasern, und um deren Verwendung (oder besser deren Nicht-Verwendung!) geht es hier. Polyester, Polyacryl, Elasthan und Polyamid kenn wir alle von Textiletiketten und Garnbanderolen. Auch wenn sie alle unterschiedliche Eigenschaften haben, so ist ihnen eins gemein: Sie werden aus nichtnachwachsenden Rohstoffen hergestellt, z.B. auf Basis von Erdöl. Ihre Ökobilanz ist deshalb im Vergleich zu Kunstfasern aus nachwachsenden Rohstoffen deutlich schlechter. 

    Polyacryl 

    Polyacryl kommt in der Textilindustrie sehr häufig zum Einsatz, da die Faser weich im Griff und wärmend ist. Sie ist zudem leicht und unempfindlich. Auch wenn sie wärmt wie Wolle, so fehlt ihr doch eine entscheidende Eigenschaft: Sie ist nicht wärmeregulierend wie ihr natürliches Vorbild, d.h. man schwitzt (und müffelt eventuell…) leicht darin. 

    Polyester 

    Polyester ist sehr reiß- und strapazierfest. Gestricktes aus reinem Polyester fühlt sich tendenziell unangenehm auf der Haut an, da die Faser sehr formstabil und wenig anschmiegsam ist. Das Problem mit dem Schwitzen tritt hier ebenso auf wie beim Polyacryl. Polyester findet bei Strickgarnen häufig Anwendung als Beimengung oder für Effekte wie Glitzerfäden. 

    Polyamid 

    Auch Polyamid (z.B. „Perlon“ oder „Nylon“) ist sehr reißfest und wird deshalb oft als Beimengung für Sockengarn verwendet, um die Strapazierfähigkeit der Socken zu erhöhen. Die Wärmeregulierung ist auch hier nicht besonders großartig. 

    Elasthan 

    Bei Elasthan handelt es sich um eine sehr elastische Faser, vergleichbar mit Gummi. Elasthan findet deshalb nur als Beimengung für andere Fasern Verwendung: Sehr oft findet es sich in Sockengarnen. 

    Was spricht dafür, was dagegen? 

    Eine Anmerkung vorweg: Unter Kunstfaser verstehen wir im Folgenden ausschließlich die vollsynthetischen Chemiefasern, wie wir sie im vorherigen Abschnitt vorgestellt haben. 

    Der Preis: Kunstfasergarne sind in aller Regel günstiger als Naturgarne. Ein riesiges 500-g-Knäuel ist beim Discounter mitunter schon für rund 10 Euro zu haben. Wolle und andere Naturfasern schlagen deutlich höher zu Buche. 

    Optik und Haptik: Es gibt Kunstfasergarne, die auf den ersten Blick einem Naturgarn recht nahe kommen. Sie fassen sich weich und kuschelig an. Mit ein bisschen Glanz können sie an Seide erinnern. Allerdings gibt es auch die (meist ganz billigen) Garne, die in grellen und unnatürlichen Farben daherkommen und sich hart und widerspenstig anfühlen. 

    Wärmeregulierende Eigenschaften: Reine Wolle, ob nun vom Schaf oder einem anderen Tier, wärmt nicht nur gut sondern hat auch gute wärmeregulierende Eigenschaften. Kunstfasergarne können zwar ebenfalls schön wärmen, die temperaturausgleichenden Fähigkeiten von Wolle haben sie aber nicht. Man schwitzt darin leichter und der Schweiß kann zudem nicht gut abgeleitet werden. Man müffelt in Poly-Klamotten viel leichter als in Wolle. Das hängt auch damit zusammen, dass sich Schweiß-Bakterien an den Kunstfasern festhalten können, was bei Wolle ungleich schwerer ist. 

    Waschen und Pflege: Wo wir beim Thema Körpergeruch sind… Kunstfasergarne sind pflegeleicht. Rein in die Waschmaschine und gut ist es. Wolle ist in puncto Waschen etwas anspruchsvoller – aber da sie durch ihre Fasereigenschaften schmutzabweisend ist und sich (Geruchs-)Bakterien praktisch nicht in ihr festsetzen können, reicht es in der Regel, das Strickstück zu lüften und auszuschütteln.

    Beim Waschen eines Kleidungsstücks aus oder mit Kunstfasern wird zudem bei jedem Waschgang etwas Mikroplastik produziert: Es kommt in der Waschmaschine zu einem minimalen Abrieb der Kunstfasern, und diese gelangen dann über das Abwasser in unser Ökosystem. 

    Produktion: Vollsynthetische Kunstfasern werden aus nicht nachwachsenden Rohstoffen wie Erdöl hergestellt. Die Produktion ist aufwändig und erfordert einen hohen Einsatz von Chemikalien. Trotz strenger Regulierungen, was Grenzwerte und die Entsorgung von Reststoffen/Abwässern angeht, ist dies für die Umwelt alles andere als unproblematisch. 

    Abbaubarkeit von Kunstfasern: Irgendwann ist die Lebenszeit eines jeden Strickstücks zu Ende. Einen Pullover aus reiner Wolle oder anderen Naturfasern könnte man im Prinzip einfach auf dem Komposthaufen verrotten lassen. Nach ein paar Monaten wäre nichts mehr von ihm übrig. Beim Pendant aus Polyacryl sieht es da ganz anders aus: Kunststoffe zersetzen sich nicht einfach so zu „nichts“. Sie zerfallen in immer kleinere Teile und bleiben der Umwelt quasi auf ewig erhalten: Stichwort Mikroplastik. Und auch die Müllverbrennungsanlage als Ende für den Kunstfaserpullover ist für die Ökobilanz nicht das Gelbe vom Ei. 

    Stricken ganz ohne Kunstfaser(anteile) 

    Abgesehen vom meist günstigeren Preis und eventuell von der Waschbarkeit in der Maschine bieten Kunstfasergarne oder Kunstfaserbeimischungen unserer Meinung keine Vorteile bei Handstrickgarnen. Und mal ehrlich – wenn man wochenlang an einem Pullover oder einer Jacke strickt, Masche für Masche durch die eigenen Hände entsteht, ist es dann nicht auch schön, wenn am Ende mehr als ein besonders billiges oder pflegeleichtes Stück dabei herauskommt? Mit der Hand zu stricken ist doch ohnehin meist teurer, als wenn man sich ein fertiges Stück kauft. Seid es Euch wert! 

    Sockengarne ohne Kunstfasern 

    Ziemlich hartnäckig hält sich die Ansicht, dass Sockengarne einen gewissen Kunstfaseranteil haben müssen, um die Haltbarkeit der fertigen Socken zu gewährleisten. Auch wenn Socken dadurch robuster werden, bedeutet das nicht, dass es nicht auch anders geht. Und schließlich wurden auch in Zeiten vor Polyamid & Co Socken gestrickt! Pinta aus unserem Sortiment ist eine Sockenwolle aus Merino, Ramie und Seide. Wir haben vor einiger Zeit sogar ein „Experiment“ mit veganen Socken gemacht: Selbst das hat zu guten Ergebnissen geführt. 

    Wenn man Socken aus reiner Merinowolle strickt, werden diese natürlich nicht so robust sein wie Socken aus klassischer Sockenwolle. Das ist klar. Aber mit robuster Beimengung wie z.B. Ramie klappt es gut. Wichtig ist generell, die Socken nicht zu locker zu stricken, weil der Faden innerhalb des Maschenbildes sonst zu viel Beweglichkeit hat, die zu unnötiger Reibung und entsprechendem Abrieb führt. Auch eine zu große Socke, die im Schuh hin und her rutschen kann, fördert vorzeitige Abnutzung. 

    Unser Fazit: Kunstfasern haben ihre Berechtigung. Beispielsweise im Bereich von Funktions- und Outdoor-Bekleidung würden wohl nur die wenigsten darauf verzichten wollen. Unterwäsche ohne Elasthan wäre ziemlich unbequem. Und wer beim Stricken einen Glitzerfaden mitlaufen lassen möchte – bitteschön! Aber wenn die Kunstfaser in einem Garn keinen praktischen Nutzwert hat – können wir dann nicht einfach darauf verzichten? Die vermeintlichen Vorteile von Kunstfasern werden in der Regel von den positiven natürlichen Eigenschaften der Wolle aufgewogen. 

    Habt das doch einfach beim nächsten Wollkauf im Hinterkopf. Unsere Umwelt sollte es uns wert sein!

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