Von Claudia Ostrop
Wenn man etwas selbermacht, ist das Wunderbare, dass man dies ganz den eigenen Wünschen oder Vorstellungen entsprechend tun kann. Wenn man näht oder strickt, ist man nicht darauf angewiesen, die Läden auf der Suche nach dem perfekten Stück zu durchkämmen.
Strickanleitungen gibt es in Hülle und Fülle – ob in Zeitschriften oder Büchern oder im Internet. Ravelry als das „El Dorado“ für Stricker:innen kennen wohl die meisten von euch. Einfach oder kompliziert, schlicht oder opulent, das Angebot and Anleitungen ist riesig.
Hat man eine Anleitung und das passende Garn gefunden, steht man möglicherweise vor dem ersten Problem: Wie finde ich die passende Größe? Denn vermutlich möchte man im neuen Pulli weder wie im Badeanzug aussehen, noch an ein Vorzelt erinnern…
Wir geben Euch heute Tipps, wie ihr die passende Größe für euch findet und wie ihr eine Anleitung mit kleinen Änderungen ziemlich einfach anpassen könnt.
Größenangaben bei Strickanleitungen
Wenn in unserem Alltag auch vieles standardisiert ist – Konfektionsgrößen sind es nicht. Auch wenn es ländertypische Systeme gibt (wie bei uns die Größen 38, 40, 42 usw., oder aber die Einteilung in S, M, L, … ) taugen sie (leider) in der Regel nur als Anhaltspunkte. Kommt man bei einem Hersteller gut mit Größe 38 aus, verlangt die nächste Marke schon locker nach Größe L.
Das Gute beim Stricken: Jede halbwegs ordentliche Anleitung gibt die notwendigen Maße an, entweder in einer Liste oder sogar mittels einer Maßzeichnung. So kann man genau sehen, welche Maße der fertige Pullover oder eine Jacke haben werden (… wenn die Maschenprobe stimmt…)
Die Oberweite als Grundmaß
In aller Regel wird die Oberweite, also der Brustumfang, als das größenentscheidende Maß zugrundegelegt.
Dabei gibt es zwei Möglichkeiten:
In den Pascuali-Anleitungen ist z.B. bei den Größenangaben schon miteinberechnet, wieviel Weite ein Oberteil haben sollte. Zu Beginn jeder Anleitung findet ihr die Angabe, welche Konfektionsgröße ihr bei einem bestimmten Brustumfang wählen solltet. Wisst ihr eure Oberweite, könnt ihr entsprechend von XS bis 5XL die passende Größe aus der Anleitung auswählen. Natürlich enthalten unsere Anleitungen immer auch Schemazeichnungen, denen ihr die Maße des fertigen Strickstücks entnehmen könnt.
Eine andere Möglichkeit, die Größen einzuteilen, ist anhand der Maße des fertigen Oberteils. Angegeben wird, welche Größe welchem Brustumfang des fertigen Pullovers entspricht. Dazu gesellt sich immer die Information, wieviel Mehrweite („positive ease“) zum körpereigenen Brustumfang empfohlen bzw. vorgeschlagen wird. Häufig werden die so definierten Größen als Ziffern angegeben (1, 2, 3, usw.)
Letztendlich laufen beide Systeme aufs Gleiche hinaus: Ihr müsst wissen, welche Oberweite ihr habt und könnt danach entscheiden, für welche Größe ihr euch entscheidet.
Bestandsaufnahme – die eigenen Maße kennen
Wer von uns hat schon Ideal-Maße, und was ist überhaupt Standard? Natürlich wird man in der Regel sagen können, ob man groß oder klein, eher dick oder eher dünn ist.
Um ein gut sitzendes Oberteil stricken zu können, sollte man aber vom „ungefähr“ wegkommen und wissen, was Sache ist.
Also bitte ein Maßband rausgeholt und los: Die Oberweite, am stärksten Punkt gemessen, die Schulterbreite, die Hüftweite, den Umfang der Oberarme. Bei großem Busen gern auch noch die Oberbrustweite – also unterhalb der Achseln, am Brustansatz gemessen. Und dann vielleicht auch noch die Taillenweite, die Länge des Oberkörpers und der Arme.
Vielleicht findet ihr jemanden, der euch dabei hilft, zu zweit geht es besser. Tragt diese Maße dann am besten in eine Skizze ein, wie ihr sie oft in Anleitungen findet. Einmal erledigt, habt ihr sie immer zur Hand, wenn ihr eure Maße benötigt.
Die richtige Größe finden
Das entscheidende Maß für die passende Größe eines Oberteils ist, wie schon gesagt, die Oberweite. Entweder gibt die Anleitung die Maße des fertigen Strickstücks an und ihr rechnet die gewünschte Mehrweite hinzu, oder diese ist in den Größenangaben einer Anleitung schon beinhaltet – anhand eurer Oberweite könnt ihr die passende Größe heraussuchen. Liegt ihr zwischen zwei Größen? Nun, dann ist euer persönlicher Geschmack gefragt. Tragt ihr eure Sachen im Zweifelsfall lieber etwas weiter, oder eher figurbetonter? Wenn ihr schon das ein oder andere Stück gestrickt habt, kann euch die Erfahrung weiterhelfen: Werden eure fertigen Strickstücke im Vergleich zur Maschenprobe (die ihr doch hoffentlich immer strickt!!) eher größer oder eher kleiner?
Ihr mögt euch nicht so gern (selbst) vermessen? Dann wendet euch vertrauensvoll eurem Kleiderschrank zu! Sicher habt ihr das ein oder andere Oberteil, das genauso sitzt, wie es euch gefällt. Dann messt einfach das aus!
Wer oder was ist schon Standard?
Nun sind natürlich nicht alle Menschen gleich gebaut und die einzelnen Körperpartien stehen nicht in einem fixen Verhältnis zueinander. Eine üppige Oberweite geht nicht automatisch mit breiten Schultern oder Hüften einher. Ebenso wenig führen zwei, drei Kilo mehr auf der Waage nicht gleich zu längeren Armen. Ihr wisst, worauf wir hinaus wollen?
Es lohnt auf jeden Fall auch ein Blick auf die anderen Maße in der Anleitung.
Wenn ihr wisst, wo es Abweichungen zwischen den Maßen der Anleitung und euren „körpereigenen“ gibt, könnt ihr mit kleinen Änderungen Abhilfe schaffen, damit euer selbstgestricktes Oberteil nicht nur schön aussieht, sondern auch noch richtig gut sitzt.
Größen kombinieren bei „Raglan-von-oben“
Allgemeingültige Rezepte, wie man und was man anpasst, lassen sich hier leider nicht geben. Damit könnte man sicherlich ein Büchlein füllen. Denn das Ganze hängt nicht zuletzt von der Konstruktionsweise eines jeden Oberteils ab.
Wir gehen jetzt einfach von einem nahtlos von oben nach unten zu strickenden Raglan-Pullover aus. Möchte man seine Strickstücke anpassen, wäre dies eine gute Möglichkeit, sich an das Thema heranzuwagen. Änderungen lassen sich verhältnismäßig einfach umsetzen, und außerdem kann man zwischendurch den Sitz immer wieder kontrollieren. Die vorgestellten Änderungsmöglichkeiten funktionieren genauso auch für Rundpassenpullover. „Raglan-von-oben“ ist übrigens auch in den Pascuali-Anleitungen eine häufig verwendete Konstruktionsweise!
Ein paar Anpassungsvorschläge:
Bei schmalen Schultern und kräftiger Oberweite kann man für die Größe anschlagen, die der Schulterbreite entspricht und beim Abteilen der Ärmel die Maschenzahl an den gewünschten Brustumfang anpassen: Möchte man z.B. ab Achsel 20 zusätzliche Maschen für den Körper gewinnen, legt man zunächst 5 Maschen pro Ärmel weniger still. Damit hat man schon mal 10 Maschen mehr für den Körper. Werden dann die Maschen unter der Achsel neu angeschlagen, schlägt man pro Achsel 5 Maschen mehr an: Auf diese Weise bekommen die Ärmel ihre fehlenden Maschen zurück (und bleiben gleich) und der Körper bekommt nochmal 10 Maschen hinzu.
Besonders kräftige Oberarme? Dann geht es andersrum: Beim Abteilen der Ärmel kann man diesen mehr Umfang geben, indem man nicht nur die Ärmelmaschen stilllegt, sondern zusätzliche Maschen bei Körper „klaut“. Diese Maschenzahl wird dann beim Anschlagen der Achselmaschen zusätzlich hinzugefügt. Das Resultat: Die Maschenzahl des Körpers bleibt gleich, die Ärmel bekommen zusätzliche Weite.
Wenn man weiß, wieviel Maschen mehr man benötigt, ist das Ganze nicht schwer. Die Zahl durch vier dividieren und die Maschen entsprechend diesem Wert wie oben beschrieben „umverteilen“.
Die Länge von Körper und Ärmeln lässt sich zumeist ohne Rechnerei anpassen. Einfach anprobieren und entscheiden, ob es lang genug ist. Nur wenn man mehr Ärmelmaschen als geplant hat, muss man aufpassen, dass man die Abnahme-Abstände anpasst! Hier kann man sich aber in der Anleitung einfach an der Größe orientieren, die der eigenen Maschenzahl der Ärmel am nächsten kommt.
Ihr seht, das alles ist kein Hexenwerk und auch ohne große Rechenkünste machbar.
Wünscht man sich perfekt sitzende Pullover, ist das Kennen der eigenen Maße schon die halbe Miete. Und wenn man mit kleinen Änderungen zum perfekten Oberteil kommen kann, steht dem Strickspaß doch nichts mehr im Weg, oder?