Åsa Tricosa im Interview

Åsa Tricosa im Interview

Åsa Tricosa ist eine international bekannte Designerin, deren Modelle eins vereint: klassischer skandinavischer Stil gepaart mit raffinierten Details. Bekannt geworden ist Åsa durch die ausgetüftelte Ziggurat-Methode, mit der einfach jeder Pullover die richtige Passform erhält. Im Interview gewährt Åsa einen Einblick in die neue Kollektion und nimmt uns mit auf einen Blick hinter die Kulissen als Strickdesigner.
Isabell Kraemer im Interview Du liest Åsa Tricosa im Interview 12 Minuten Weiter Stricken nach Anleitung

Von Sandra Sonnenburg

Hej, Åsa,

wir freuen uns sehr, Dich als Interviewgast in unserem Blog zu haben! Vielen Dank, dass Du Dir die Zeit nimmst.

Wir gratulieren Dir ganz herzlich zu 10 Jahren Åsa Tricosa!

Hej!
Danke für die Glückwünsche, und Danke für die Einladung.

Anlässlich Deines Jubiläums erscheint “The Jubilæum Collection”: Ein E-Book, das in einzelnen Kapiteln über das Jahr verteilt veröffentlicht wird. Die ersten drei Anleitungen sind gerade letzte Woche erschienen. Erzähle uns doch ein bisschen mehr über die Idee hinter “The Jubilæum Collection”.

Die Kollektion feiert 10 Jahre Ziggurat-Technik und weitere meiner Designs. 
Die Kollektion ist das Ergebnis einer wunderbaren kreativen Zusammenarbeit mit Patti Odinak von Yarn Culture. Unsere ursprüngliche Idee sah vor, eine Auswahl meiner Lieblingsdesigns aus diesen 10 Jahren aufzupolieren und neu zu veröffentlichen. Allerdings habe ich zu viele Lieblingsdesigns und – das war wahrscheinlich der noch wichtigere Gedanke – so viele neue Ideen im Kopf. So werden meine Leserinnen schließlich 8 neue Designs und 4 überarbeitete Klassiker im E-Book finden. Die Veröffentlichung erfolgt kapitelweise über das Jubiläumsjahr verteilt: Jedes der fünf Kapitel wird dabei einen Ziggurat-Pullover und ein Accessoire enthalten - dazu bietet Patti von Yarn Culture die passenden Celebratory Kits an. Außerdem gibt es beim Kauf des gesamten E-Books noch zwei exklusive Bonus-Anleitungen, die nicht einzeln erhältlich sein werden.

Eine der drei Anleitungen, die bereits veröffentlicht worden sind, ist die Stola “Abraxas Vertex”, die aus unserer wunderbaren Balayage gestrickt ist. Was war der Grund, dieses Garn für diese Stola auszuwählen?

Ich liebe den geschmeidigen Fall und die seidige Weichheit von Balayage. Ich kannte das Garn schon von meinem Cardigan Abraxas und wusste daher, dass das einfache Zopfmuster perfekt mit Balayage funktionieren würde. Denn das Garn bietet eine interessante, weiche Struktur, mit der sich ein schön fallendes Gestrick und ein klares Maschenbild erreichen lässt. Die Fadenstärke ist außerdem optimal: Balayage ist nur ein klein wenig dicker als Fingering-Stärke, bringt aber diesen wunderbaren Fall und Glanz mit... Aber dass wisst ihr bei Pascuali ja noch besser als ich!

Und dann diese Farben! Die Farbpalette ist fast schon gefährlich, da sich alle Farben ganz harmonisch miteinander kombinieren lassen. Das verführt geradezu zum Spiel mit den Farben, man möchte einfach alle möglichen Kombinationen ausprobieren. Was ich gemacht habe – und weiter tun werde. Und ich bin sicher, anderen Stricker*innen haben dabei den gleichen Spaß wie ich.

Was kann die Strickgemeinde erwarten von den weiteren Anleitungen, die Teil der “Jubilæum Collection” sind – erlaubst Du einen kleinen Blick hinter die Kulissen?

Das erste Kapitel, das gerade veröffentlicht wurde, ehrt passenderweise meinen klassischen Ziggurat-Pullover, der nun einem wohlverdienten Upgrade unterzogen wurde.

Im zweiten Kapitel werden zwei neue Designs vorgestellt. Der enthaltene Pullover basiert auf einer völlig neuen Ziggurat-Konstruktion. Diese zeige ich vorab in der “Jubilæum Collection”, und später dann in meinem neuen Projekt “Ziggurat Book The Next”. Das Buch ist eigentlich das Projekt, an dem ich arbeite – die “Jubilæum Collection” hat sich sozusagen als kleiner heimlicher Spaß dazwischen geschlichen.

Außerdem wird es im zweiten Kapitel eine spannende Stola geben, mit Streifen und einem ganz besonderen Muster. Diese Stola wird sozusagen die Neuerscheinung einer anderen, vor kurzem erschienen Anleitung. Sie ist einfach zu stricken, und ich kann die Veröffentlichung kaum abwarten.

Wann hast Du angefangen zu stricken, und wer hat es Dir beigebracht?

Wie die meisten Schweden oder Skandinavier aus meiner Generation, habe ich das Stricken schon als kleines Kind gelernt. Meine MorMor (die Großmutter mütterlicherseits) mit ihren flinken, geübten Händen hat es mir beigebracht.

Erinnerst Du Dich noch an dein allererstes fertiges Strickprojekt?

Nein, leider nicht! Aber weiß noch, wie ich später unbedingt bestimmte Farben und Garne miteinander kombinieren wollte – ohne jede Ahnung von einer Maschenprobe (oder, falls ich eine hatte, habe ich sie großzügig ignoriert). Ich erinnere mich, dass die Farbkombination einfach umwerfend war und wünschte, es gäbe davon noch ein Foto oder wenigstens eine Musterprobe! Im Ergebnis jedenfalls hatte der entstandene Pullover Streifen, von denen die einen üble Falten warfen, andere dagegen sehr grobmaschig und durchsichtig geraten waren. Wäre ich damals schlau gewesen, hätte ich die Maschenzahl zum Ausgleich anpassen können – aber... Nun ja, ich habe schon damals mit Hingabe gestrickt.

Mit der Ziggurat-Methode bist Du als Designerin bekannt geworden. Wie bist Du auf diese clevere Konstruktion gekommen? Und warum bist Du davon nach wie vor so begeistert?

Ich hatte den sehnlichen Wunsch, eine praktische und narrensichere Methode zu entwickeln, bei der die Passform eines Pullovers während des Strickens angepasst werden kann, und bei der sich schon während des Strickens (und nicht erst am letzten Ende) herausfinden lässt, ob der Pullover passen wird. Ich hatte einfach ein unschönes Erlebnis zu viel, bei dem am Ende eines Projekts, nach dem Zusammensetzen der Teile und dem Spannen, die Passform nicht stimmte.

Man investiert so viel Zeit und Arbeit, bevor man sicher sein kann, ob dieses Projekt auf den Nadeln eins wird, in dem man sozusagen “wohnen” will, oder ob es als Schrankleiche endet. Nachträglich die Passform anzupassen erfordert viel mehr Willen und Geduld als ich aufbringen kann.

Ich habe viele Stricker*innen dieser Welt getroffen und ihre wunderbaren Werke gesehen. Viele sind viel geschickter als ich und können perfekt passende Kleidung bottom-up stricken und die Einzelteile wunderschön miteinander vernähen – das ist einfach nicht meine Sache. Außerdem kann ich nicht einsehen, warum ein Strickstück durch Vernähen in Form gebracht werden sollte, wenn man es doch gleich in dreidimensionale Form stricken kann – mit nur einem fortlaufenden Faden. Für mich ist das Magie!

Wo wir gerade von einem fortlaufenden einzelnen Faden sprechen: Die Idee hinter meiner Konstruktion ist, den Faden möglichst nicht abzuschneiden. Nicht nur aus Prinzip, oder als eine Art Wettbewerb. Sondern auch, weil man selbst bei der nahtlosen Methode von oben nach unten vielleicht an einem Punkt feststellt, dass es doch nicht das Traum-Modell wird, das man da strickt. Mit der Ziggurat-Methode bleibt der Faden immer intakt und kann weiter verwendet werden, auch wenn Du mehrfach ribbeln solltest.

Bei einem Pullover ist der kritischste Punkt die Passform an der Schulter. An diesem Punkt solltest Du schon ganz zu Beginn eines Projekts Sicherheit haben. Passt die Schulter perfekt, sind alle weiteren Anpassungen relativ einfach zu bewerkstelligen. Wenn Du bei einem von unten in Teilen gestrickten Pullover zum Beispiel merkst, dass die Taille zu hoch oder zu tief sitzt, wirst du es schwer haben, die gewünschte Passform herzustellen. Bei der nahtlos von oben gestrickten Methode kannst Du “unterwegs” anprobieren und musst schlimmstenfalls ein kleines Stück auftrennen und neu stricken. Selbst wenn Du erst nach dem Spannen Mängel an der Passform entdeckst, lassen sich diese viel einfacher beheben.

Deine Designs kommen alle im typisch skandinavischen Look daher – funktionell, klar, aber mit kleinen, faszinierenden Details, die jeden Design einen kleinen “Kick” geben. Woher beziehst Du Deine Inspiration?

Das kann ich garn nicht genau sagen. Als Designer wird man das sehr oft gefragt. Normalerweise versuche ich, darauf eine schlaue Antwort zu geben, aber eine richtig gute habe ich bisher nicht gefunden. Mein Designprozess startet normalerweise mit einem Garn in einer bestimmten Farbe, und wenn ich damit stricke, fallen mir weitere Garne oder Farben für mögliche Varianten ein – und dann gehe ich auf die Jagd. Genau so oft allerdings beginnt ein Design mit der Frage, was in meinem Kleiderschrank oder in der Tücherschublade fehlt. Dabei tendiere ich mehr zu den ausgeflippten Details als zu den traditionellen Mustern.

Hast Du eine Theorie, warum skandinavisches Design und “hygge” gerade so angesagte Trends sind?

Wenn ich noch einmal das Wort “hygge” höre, dann fange ich an zu schreien...;)

Nun, wo ich das losgeworden bin: Was ist daran auszusetzen, wenn Menschen das Bedürfnis nach Behaglichkeit und Sicherheit verspüren, danach, sich mit Freunden und Familie und Strickbekanntschaften zurückzuziehen? Gerade in diesen Zeiten der Pandemie? Damit verhält es sich wie mit dem Cocooning, ich verstehe das Bedürfnis gut.

Interessanterweise gab es den “hygge”-Trend schon lange vor der Covid-Pandemie und der Isolation, die sich für viele von uns daraus ergeben hat. Mit dem Aufkommen der Pandemie habe ich viel mehr Verständnis entwickelt für die “Übernahme” und die Verbreitung des sogenannten Hygge-Konzepts. Es gibt ja viel üblere Dinge, die sich verbreiten.

Was uns Skandinavier viel mehr wundreibt, ist die unbedachte Übernahme skandinavischer Namen für Designs. Ganz besonders, wenn sich dabei unbeabsichtigte urkomische Nebenbedeutungen ergeben. Man könnte es schon fast kulturelle Beschlagnahmung nennen. Vielleicht bin ich so empfindlich, weil ich selbst es so schwierig finde, gute Namen für Designs zu finden – sobald man meint, endlich einen cleveren oder einzigartigen Namen gefunden zu haben, stellt sich heraus, dass dieser bereits schon verwendet wurde. Schlimmstenfalls sogar mehrfach. Ich beneide Thea Colman (Baby Cocktails), die die schlaue Idee hatte, ihre Designs nach Cocktails und anderen Getränken zu benennen: So hat sie eine nahezu unerschöpfliche Quelle an Namen, und außerdem einen Wiedererkennungswert ihrer Marke. Einfach brilliant.

Du bist schon viel auf der Welt herumgekommen und hast in verschiedenen Ländern wie Schweden, den USA, Singapur, Großbritannien und Deutschland gelebt, bevor Du Dich nun in Dänemark niedergelassen hast. Würdest Du sagen, dass die internationale Erfahrung Deine Designs beeinflusst?

Wahrscheinlich eher nicht. Unhöflich formuliert könnte man sagen, meinen Designs mangelt es an Charakter oder Stil. Aber nein – warte! Ich verehre den Stil der “Kopenhagener Frau” (was ich so nenne). Wann immer ich in Kopenhagen war, bin ich zu Masai gegangen – das ist ein feminines Modelabel mit eleganten, oft etwas ausgefallen und unkonventionellen Entwürfen, die weibliche Formen umspielen und dabei nicht nur die zierlichen Körper berücksichtigen. Das klingt doch gut!

Welchen Schritt im Designprozess findest Du besonders schwierig?

Die Namensfindung. Und dass ich nie genug Zeit habe für alle Ideen und Einfälle, die mir während eines Projekts in den Kopf schießen. Die Strickerin in mir will gern alle möglichen Varianten des Designs ausprobieren, einschließlich anderer Farbstellungen. Aus Sicht eines Designers, oder unternehmerisch betrachtet, macht dies allerdings keinen Sinn. Ich kann einfach nicht fünf Designs veröffentlichen, die sich voneinander nur durch winzige Details unterscheiden. Jede Version für sich beinhaltet ja die komplette Arbeit für eine neue Anleitung (Teststrick, technische Überarbeitung, Lektorat, Layout usw). Auch fehlt einfach die Zeit, fünf Varianten des gleichen Designs überhaupt zu stricken. Hier kommt mir meine Strickgemeinde zur Hilfe. Es macht mir unfassbar viel Freude zu sehen, welche Varianten die Stricker*innen aus meinen Designs erstellen – ihre Farbwahl, Garnalternativen, spannende Abwandlungen oder Ergänzungen. Sie nehmen dann meinen Platz ein, und ich muss nicht alle Möglichkeiten selbst ausprobieren.

Nach welchen Gesichtspunkten wählst Du die Garne für deine Projekte aus? Was macht ein Garn zum perfekten Garn für Dich?

Zunächst einmal muss es sich gut anfühlen – in der Hand und auch am Körper. Es muss spannend bleiben, auch wenn ich große glatt rechte Musterproben stricke (ich bin großer Fan von glatt rechten Maschen). Daher stricke ich zumeist mit handgefärbten Garnen von Färber*innen, die wissen, wie man den Strängen einen Hauch von Farbverlauf verleiht. Ich liebe das sanfte Spiel mit leichten Farbveränderungen während des Strickens.

Außerdem stricke ich mit Naturgarnen, und wo immer es geht mit Garnen, die verantwortungsvoll hergestellt worden sind, oder mit Bio-Garnen. Immer wieder greife ich dabei auf Garne zurück, die schon seit über zehn Jahren meine Lieblingsgarne sind.

In Deinem früheren Leben warst Du Teil der akademischen Welt. Gab es ein bestimmtes Ereignis, bei dem Dir klar wurde: “Ich bin Strickerin und Designerin, aber keine Akademikerin”?

Ich wollte, das wäre so gewesen! Stattdessen war es ein langer, langsamer Prozess der Zermürbung. Ich habe mich mit der Erkenntnis sehr schwer getan. Aber sobald ich die Entscheidung getroffen hatte, war es, als fiele eine Rüstung von mir ab, die mich lange eingeschränkt hatte. Heute bin ich so dankbar und glücklich, dass ich mein Leben als Strickdesignerin gestalten kann.

Spielt die Philosophie immer noch eine Rolle in Deinem Strickleben?

Nein, das würde ich nicht sagen. Eher Mathematik und Architektur, obwohl ich nicht von mir behaupten würde, dass ich von beidem sehr viel Ahnung habe.

Gibt es etwas, das Du gern machst, wenn Du gerade nicht strickst? Ein Hobby vielleicht?

Ich lese mit Begeisterung, liebe es, abenteuerliche Gerichte zu kochen und ich mag es, meine Hände in verschiedene Arten von Teig zu versenken. Aber nein, darüber hinaus gibt es nichts Verblüffendes zu enthüllen. Hätte der Tag mehr Stunden, würde ich gerne wieder Töpfern. Und nähen.

Andererseits ist das Stricken ja nicht nur meine Arbeit, sondern mein liebste Beschäftigung. Das hört sich vielleicht merkwürdig an, aber mir würde etwas fehlen, wenn ich nicht am Ende des Tages ein paar Maschen auf meinem Damensofa stricken könnte. Das entspannt mich auch in Zeiten, wenn ich mich durch selbst gesetzte Deadlines unter Druck gesetzt fühle oder glaube, nicht schnell genug zu arbeiten.

Möchtest Du uns noch ein Funfact über Dich verraten?

Früher mal war ich unschlagbar im Buckelpiste-Skifahren, und Kellnerin im Union Square Café in New York. Allerdings nicht beides zur selben Zeit.

Vielen Dank, Åsa, für diese spannenden Einblicke in diesem Interview!

Vielen Dank für die Einladung – es hat mir sehr viel Spaß gemacht!

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