Siegel und Zertifikate für Wolle und Garne

 Siegel und Zertifikate für Wolle und Garne

Handarbeiten und Selbermachen sind „in“. Aber wie steht es mit dem Material? Ist auch das „gut“ im Sinne von Fairness und Nachhaltigkeit? Wir meinen: Wer sich die Zeit nimmt, mit seinen eigenen Händen etwas zu erschaffen, der sollte sich auch die Zeit nehmen, auf die Herkunft zu achten. Was das mit Stricken zu tun hat? Liest selbst. 
Wie lagere ich Wolle am besten? Du liest  Siegel und Zertifikate für Wolle und Garne 9 Minuten Weiter Auf die Nadeln geschaut: Re-Jeans

Von Claudia Ostrop

Handarbeiten und Selbermachen sind „in“. Vielleicht ist es eine Rückbesinnung auf alte Techniken, eine Gegenbewegung zum immer schnelleren werdenden digitalen Alltag, dem viele von uns unterliegen. Auf jeden Fall ist es ein schönes Hobby, das mit Wertschätzung  und Nachhaltigkeit verbunden wird. 

Aber wie steht es mit dem Material? Ist auch das „gut“ im Sinne von Fairness und Nachhaltigkeit? Wir meinen: Wer sich die Zeit nimmt, mit seinen eigenen Händen etwas zu erschaffen, der sollte sich auch die Zeit nehmen, auf die Herkunft z.B. der Wolle zu achten, mit der ein Pullover, eine Mütze, Schal oder anderes schönes Stück gestrickt wird. 

Wie ihr bei der Auswahl eurer Garne sicherstellen könnt, dass weder Mensch, Tier noch Umwelt dafür schlechten Bedingungen ausgesetzt waren, dazu möchten wir euch in diesem Blog-Post einige Tipps geben.

Zertifikate und Siegel im Textilsektor

Siegel und Logos, die Aufschluss über die Qualität und Herkunft eines Produktes geben sollen, findet man nahezu überall. Während der Begriff „bio“ bei Lebensmitteln streng geregelt ist, ist er das z.B. bei Textilien nicht. Begriffe wie „Bio (Organic)“ oder „Öko/Eco“ und „Natur“ sind hier nicht geschützt, Missbrauch oder Fehlinformation sind damit nicht ausgeschlossen. Für Konsumenten ist zudem in der Regel nicht nachvollziehbar, ob das gesamte Produkt oder nur ein einzelner Teil der Produktionskette „öko“ sind. So kann zum Beispiel ein Schaf gemäß den Anforderungen des Ökolandbaus gehalten werden, die Wolle dann aber unter unfairen, gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen und unter Einsatz von Chemikalien produziert worden sein. Oder das fertige Garn ist zwar frei von schädlichen Rückständen, die Schafe mussten aber das qualvolle Mulesing (s. weiter unten) erdulden.

Wir stellen euch Siegel und Zertifikate vor, an denen ihr euch im Bereich Wolle und Garne orientieren könnt – und machen auch die ein oder andere Einschränkung….

GOTS

Der „Global Organic Textile Standard“ (GOTS) ist eines der bekanntesten Zertifikate für den Bereich Textilien. Das runde grüne Logo mit dem weißen Hemd in der Mitte findet sich an einer Vielzahl von Textilien und Handstrickgarnen. 

Die strengen Kriterien finden entlang der gesamten Produktionskette Anwendung, denn der GOTS ist ein Prozess-Standard. Alle Einzelschritte des Herstellungsablaufs müssen zertifiziert sein, bevor das GOTS-Siegel verwendet werden darf. 

Produkte, die das GOTS-Label tragen, müssen zu mindestens 70 Prozent aus Naturfasern aus kontrolliert biologischen Anbau oder kontrolliert biologischer Tierhaltung bestehen. Für die Bezeichnung „Bio“ und die Bezeichnung „kbA“ bzw. „kbT“ (s. unten) muss der Anteil bei wenigstens 95 Prozent liegen. 

Chemikalien dürfen im Laufe des Produktionsprozesses nur dann verwendet werden, wenn sie festgelegte Anforderungen bezüglich Toxizität und biologischer Abbaubarkeit erfüllen. 

Chlorbleiche und Azo-Farbstoffe sind beispielweise verboten. Die verarbeitenden Betriebe müssen über ein Umweltschutzprogramm verfügen um Abfälle und Abwässer möglichst gering zu halten. 

Neben den umwelttechnischen Kriterien müssen auch soziale Standards eingehalten werden. Sichere und hygienische Arbeitsbedingungen sind ebenso Vorschrift wie die Zahlung von Mindestlöhnen, die Regulierung der Arbeitszeiten sowie das Verbot von Kinderarbeit und unmenschlicher Behandlung.  

Das GOTS-Siegel gibt dem Verbraucher also relativ viel Sicherheit, was die Umwelt- und Sozialverträglichkeit der Produkte angeht.  

Es gibt jedoch ein großes Aber, insbesondere wenn es um Mulesing* bei Schafen geht: 

Dem GOTS-Standard liegen die Bio-Standards der Herkunftsländer zugrunde. Und da Mulesing in der australischen Landwirtschaft gemäß Bio-Standard erlaubt ist, kann bei Merinowolle aus Australien trotz GOTS-Zertifikat nicht ausgeschlossen werden, dass die Schafe dieser schmerzvollen Prozedur unterzogen wurden. Hier bleibt nichts anders übrig, als auf die Herkunft der Rohwolle zu achten, will man sicher sein, dass das Garn (oder die Textilien) mulesing-frei produziert wurden.

* Unter Mulesing versteht man die Prozedur, bei der Merinoschafen großflächig die Haut um den After entfernt wird, um so den Befall mit Fliegenmaden zu verhindern, die sich in den Hautfalten einnisten könnten. Mulesing, zumeist ohne Betäubung durchgeführt, ist in Australien gängige Praxis – und von dort stammt etwa Dreiviertel der weltweit hergestellten Merinowolle. 

RWS – Responsible Wool Standard

Der Responsible Wool Standard (RWS) ist ein relatives neues Zertifikat, das es seit 2016 gibt. Der Schwerpunkt des RWS-Siegels liegt auf dem Tierschutz und nachhaltiger Bewirtschaftung der Böden. Das Siegel bescheinigt, dass die Tiere gut behandelt werden. Es gibt konkrete Vorgaben zur Haltung der Tiere, die von Futter und Sauberkeit über Stall und Zäune hin zum Verbot von Mulesing reichen. Darüber hinaus ist auch der angemessene Umgang mit Arbeitskräften geregelt.  

Die komplette Herstellungskette unterliegt voller Transparenz, das Siegel deckt sämtliche Stationen von der Farm bis zum verkaufsfertigen Produkt ab. 

In Anlehnung an den RWS gibt es seit 2020 auch den RMS, den Responsible Mohair Standard, der die Haltung von Angora- oder Mohair-Ziegen regelt und die Herstellungskette zur Gewinnung von Mohair überwacht.

Sowohl RWS als auch RMS sind hauptsächlich Tierwohl-Siegel, ökologische Faktoren werden zwar berücksichtigt, es wird jedoch kein Bio-Standard erreicht.

kbA/kbT

„Kontrolliert biologischer Anbau“ und „Kontrolliert biologische Tierhaltung“ sind zwei weitere Siegel, die als Abkürzungen kbA und kbT für Textilien und Garne verwendet werden.

kbA steht zumeist im Zusammenhang mit Baumwolle: Baumwolle aus kontrolliert biologischem Anbau. Während für den konventionellen Anbau von Baumwolle geradezu unglaubliche Mengen an Wasser und Chemikalien verwendet werden (dazu mehr in unserem Blog-Post über Viskose), ist der Einsatz von synthetischen Schädlingsbekämpfungsmitteln im Bio-Anbau ebenso wie der Einsatz von Kunstdünger verboten. Durch Mischkultur/Fruchtfolge im Anbau sind die Böden viel weniger ausgelaugt und können durch organische Substanz deutlich mehr Wasser speichern. Es darf kein genmanipuliertes Saatgut verwendet werden und die geerntete Baumwolle wird ohne Einsatz ökologisch bedenklicher Substanzen (z.B. Formaldehyd oder Chlorverbindungen) weiterverarbeitet. kbA bedeutet damit sowohl Umweltschutz als auch Gesundheitsschutz – bei Anbau und Produktion für die Arbeitskräfte und beim Tragen für uns.

kbT ist das entsprechende Gegenstück aus dem Bereich der Tierhaltung. Die kontrolliert biologische Tierhaltung folgt den Richtlinien für den ökologischen Landbau – artgerecht und im Einklang mit der Natur. Es dürfen weder gentechnisch-veränderte Pflanzen noch spezielle Masthilfsmittel verfüttert werden. Die Fortpflanzung der Tiere erfolgt auf natürlichem Wege und Prozeduren wie Mulesing und das Kupieren der Schwänze sind verboten. Der kbT-Standard regelt die artgerechte Fütterung der Tiere mit biologisch angebautem Futter, die tierschutzgerechte Ausgestaltung der Ställe sowie den Zugang zu ausreichend Weideflächen.

Für die Gewinnung von kbT-Schurwolle wird komplett auf den Einsatz von Pestiziden und Insektiziden verzichtet, das gilt sowohl für die Tiere als auch für die Weideflächen und natürlich die Weiterverarbeitung der Wolle.

Öko-Tex

Das Öko-Tex-Label gibt es schon seit Anfang der 1990er Jahre. Es findet sich auf einer Vielzahl von Textilien wie z.B. Bekleidung und Bettwäsche, aber auch auf Garnen. Der „Standard 100 by Oeko Tex“ sichert dem Verbraucher zu, dass Produkte mit diesem Label auf Schadstofffreiheit geprüft wurden. Es dürfen z.B. keine Azo-Farbstoffe, Formaldehyd und Cadmium nachweisbar sein. Ebenso dürfen keine Rückstände von Pestiziden in den Textilien gefunden werden. Mittlerweile gibt es neben dem Standard 100 auch noch erweiterte, strengere Oeko-Tex-Standards wie den „Made in Green by Oeko Tex“. Dieser schließt auch die Prüfung auf einen nachhaltigen und sozialverträglichen Produktionprozess mit ein. 

Die neuen, weitergefassten Label sind möglicherweise als Reaktion auf die oftmals geäußerte Kritik anzusehen, der Begriff „Oeko“ sei irreführend. Er könne beim Verbraucher den Eindruck erwecken, die Textilien seien ökologisch produziert, dabei ist aber lediglich das gelabelte Endprodukt ökologisch vertretbar und nicht gesundheitsschädlich.

Woolmark

Das Woolmark-Siegel gibt es schon seit den 1960er Jahren. Es steht für Qualität im Wollbereich. Allerdings bezieht es sich dabei ausschließlich auf die Zusammensetzung und Art der verwendeten Wolle. Über Nachhaltigkeit, Umwelt- und Tierfreundlichkeit sagt das Woolmark-Siegel nichts aus. Einzig das „Australian Merino Wool“-Siegel, das von Woolmark vergeben wird, könnte als Ausschlusskriterium für ein derart gelabeltes Produkt stehen.  



Andere Textil-Siegel

Die Liste ließe sich noch ein gutes Stück verlängern. 

Hier seien nur einige wenige erwähnt, die man im Textilbereich finden kann, dann jedoch meist bei fertigen Textilien:

Das „IVN“-Label kennzeichnet Textilien und Leder, die im gesamten Produktionsprozess strengste ökologische und soziale Standards erfüllen.

Der „Blaue Engel“, wird an besonders umweltfreundschonend hergestellte Produkte und auch Dienstleitungen vergeben.

Das „FairTrade“-Logo dürfen Produkte tragen, bei denen den Arbeitskräften angemessene, faire Arbeitsbedingungen zugesichert werden.

Die Vergabe des Siegels „Grüner Knopf“ hat die Einhaltung eines Verhaltenskodexes zur Bedingung, mit dem anspruchsvolle ökologische und soziale Standards gesichert werden sollen. 

Fazit

Wer auf der Suche nach einem guten Garn ist und dabei und dabei nicht nur nach Aussehen, Weichheit und Preis geht, der ist mit einem Blick auf Textilsiegel nicht schlecht beraten. Sie bieten allesamt eine gute Orientierungsmöglichkeit, um Umweltschutz, Tierwohl und Sozialverträglichkeit Rechnung zu tragen. Garne und Textilien mit den vorgestellten Siegeln und Zertifikaten sind mit Sicherheit zunächst mal eine gute Wahl. 

Aber… das bedeutet nicht, dass Garne ohne Zertifizierung deshalb automatisch schlecht(er) sind. Es ist meist mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand verbunden, sich zertifizieren zu lassen. Gerade kleinere Farmen und Betrieben können sich dies häufig schlichtweg nicht leisten, obwohl sie die Kriterien für ein Zertifikat erfüllen. Der finanzielle Aufwand rechnet sich einfach nicht. 

Und so findet ihr auch im Sortiment von Pascuali findet ihr viele Garne ohne Siegel und Zertifikat. Denn wir machen uns vor Ort ein Bild von den Gegebenheiten. Weil wir kleine Betriebe unterstützen wollen und das guten Gewissens tun können, wenn wir wissen, wie z.B. die Tiere gehalten werden und unter welchen Bedingungen die Menschen arbeiten. 

Für entspanntes Stricken (und Häkeln!) mit gutem Gewissen!

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